Das iranische Scheidungsrecht
von Frau Rastin-Tehrani
Kommt das deutsche Familiengericht zu dem Schluss, dass iranisches Scheidungsrecht anzuwenden ist,replika uhren muss sodann geprüft werden, unter welchen Voraussetzungen eine Scheidung nach iranischem Recht erfolgen kann. Das iranische Zivilgesetzbuch enthält dazu Vorschriften zum Scheidungsrecht, die jedoch nicht abschließend sind. Diese Vorschriften sind nur auf schiitische Iraner anwendbar.
Das iranische Scheidungsrecht bestimmt, dass bei streitigen Scheidungen der Ehemann unter Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen einen gerichtlichen Scheidungsantrag stellen kann. Auch die Ehefrau ist berechtigt, einen gerichtlichen Antrag auf Scheidung zu stellen. Der grundlegende Unterschied zwischen den Scheidungsrechten des Ehemannes und der Ehefrau liegt darin, dass der Ehemann - im Gegensatz zur Ehefrau - keine Gründe für die Scheidung angeben muss.
Vor den iranischen Gerichten folgt dem Antrag des Ehemannes auf Scheidung ein Schlichtungsverfahren. Dabei sollen ausgewählte Personen aus der Familie der Ehegatten versuchen, eine Versöhnung der Parteien herbeizuführen. Führen diese Versuche zu keinem Ergebnis, stellt das Gericht eine Bescheinigung über die Unmöglichkeit der Versöhnung aus. Mit dieser Bescheinigung kann der Ehemann die Scheidung unter Anwesenheit zweier männlicher muslimischer Zeugen aussprechen und die Scheidung eintragen lassen. Mit Eintragung der Scheidung beginnt die Wartezeit (ceddeh). Diese dauert drei Menstruationsperioden. Während dieser Zeit darf die Ehefrau keinen anderen Mann heiraten. Die Ehegatten können sich innerhalb der Wartezeit versöhnen und die Scheidung widerrufen, sofern sie widerruflich ist. Grundsätzlich ist jede Scheidung widerruflich, außer wenn sie vor Vollzug der Ehe erfolgt, wenn die Ehefrau in der Menopause ist, wenn es sich um eine einvernehmliche Scheidung oder um die dritte Scheidung nach drei aufeinander folgenden Ehen mit der gleichen Person handelt. Nach Ablauf der Wartezeit ist die Ehe endgültig aufgelöst. Bei der unwiderruflichen Scheidung dient die Wartezeit der Feststellung einer eventuellen Schwangerschaft.
In diesem Zusammenhang wird auf das BGH-Urteil vom 6. Oktober 2004 – XIIZR 225/01 verwiesen, das sich mit dem Verfahren und den Voraussetzungen einer Scheidung iranischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens durch deutsche Gerichte auseinandersetzt. Der BGH stellt in seiner richtungweisenden Entscheidung klar, dass eine Scheidung durch deutsche Gerichte wegen des als lex fori maßgeblichen deutschen Verfahrensrechts nur durch ein Gestaltungsurteil und nicht durch ein Feststellungsurteil erfolgen könne. Daher verstoße eine mit der Verurteilung zum Ausspruch der Scheidungsformel verbundene Feststellung, die Ehe sei damit aufgelöst, gegen Art. 17 Abs. 2 EGBGB und § 1564 S. 1 BGB. Nach iranischem Recht sei der Antrag auf Feststellung der Unmöglichkeit des Zusammenlebens lediglich Voraussetzung dafür, dass der anschließende (außergerichtliche) Ausspruch der Scheidungsformel durch den Ehemann oder die hierzu bevollmächtigte Ehefrau staatlicherseits anerkannt und registriert wird. Dessen bedürfe es für die Scheidung durch Gestaltungsurteil nicht. Der Ausspruch der Scheidungsformel gelte nach deutschem Verfahrensrecht mit der Rechtskraft des Urteils als erfolgt. Zwar sei der Ausspruch der Scheidungsformel in Gegenwart von zwei vertrauenswürdigen Zeugen männlichen Geschlechts nach iranischem Recht ein materiell-rechtlich zu qualifizierendes Wirksamkeitserfordernis. Allerdings sei die Einhaltung dieser Voraussetzung allenfalls von Bedeutung für die Anerkennungsfähigkeit der deutschen Entscheidung im Iran, da nach dem als lex fori maßgeblichen deutschen Verfahrensrechts ihre Beachtung entbehrlich sei.
Stellt die Ehefrau den Scheidungsantrag, muss sie Scheidungsgründe geltend machen. Die Gründe können gesetzlicher oder vertraglicher Art sein.
Gesetzliche Scheidungsgründe sind:
- Verschollensein des Ehemannes von mind. vier Jahren ohne Nachricht über sein Verbleiben;
- Unterhaltsverweigerung des Ehemannes, da der eheliche Unterhalt zu Lasten des Ehemannes geht. Ist der Ehemann zur Unterhaltszahlung nicht fähig, hat die Ehefrau sofort das Recht, die Scheidung zu beantragen. Ist der Ehemann leistungsfähig und weigert er sich zu zahlen, kann der Richter den Betrag bestimmen und den Ehemann zur Zahlung verurteilen. Der Scheidungsgrund entfällt, wenn die Forderung der Ehefrau tatsächlich befriedigt wird;
- Bedrängnis der Ehefrau. Liegt eine Situation vor, in der die Fortführung des ehelichen Lebens für die Ehefrau unerträglich ist, kann der Richter den Ehemann zur Scheidung zwingen. Eine Bedrängnis der Ehefrau liegt vor bei:
· Verlassen der Familie durch den Mann für sechs aufeinander folgende Monate oder insgesamt neun Monate mit Unterbrechung;
· Drogen- oder Alkoholabhängigkeit des Mannes, die das Familienleben beschädigt hat und wenn er sich weigert, die Sucht aufzugeben oder wenn es unmöglich ist, ihn von der Sucht zu befreien;
· Verurteilung des Ehemannes zu einer Haftstrafe von fünf oder mehr Jahren;
· andauernde Beleidigungen und das Schlagen der Ehefrau oder jedes andauernde Fehlverhalten des Ehemannes, das im Widerspruch zum Lebensstandard und zur sozialen Position der Ehefrau steht, und das Leben für die Ehefrau unerträglich macht;
· unheilbare oder ansteckenden Krankheit oder jede andere schwer zu heilende Krankheit, die für das Eheleben schädlich ist.
Die Ehegatten können auch vertragliche Scheidungsgründe festgelegen, bei deren Vorliegen die Ehefrau eine Scheidung beantragen kann. Die standardisierten Eheschließungsverträge im Iran enthalten bereits Scheidungsgründe, die von den Verlobten bei der Eheschließung unterzeichnet werden können.
Das iranische Scheidungsrecht kennt auch einvernehmliche Scheidungen. Dabei begehrten entweder die Ehefrau oder beide Ehegatten auf Grund gegenseitiger Abneigung die Scheidung. In beiden Fällen verzichtet die Ehefrau auf alle oder einige vermögensrechtliche Ansprüche, die sie gegen ihren Ehemann hat. Dies kann z.B. ihre Brautgabe sein.
Bei der Anwendung ausländischen Rechts vor deutschen Gerichten ist stets die öffentliche Ordnung zu beachten (ordre public). Diese bestimmt, dass eine Rechtsnorm eines anderen Staates dann nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung im konkreten Fall zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten offensichtlich unvereinbar ist. Der Ordre Public Vorbehalt gilt auch im Rahmen des Anwendungsbereichs des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens.
Die deutschen Familiengerichte haben bislang das einseitige Verstoßungsrecht des Ehemanns als Verstoß gegen den deutschen Ordre Public angesehen. Ein Verstoß wurde jedoch dann verneint, wenn die Scheidung auch nach deutschem Recht möglich gewesen wäre oder die Ehefrau mit der Scheidung einverstanden war.
© 2006 Rechtsanwältin Karimi - Ratgeber - Das iranische Scheidungsrecht/Stand Nov. 2006
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